12 Stunden Corona-Panik hautnah!

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Isolationsbreich

Liebe Patienten, liebe Besucher.

Heute musste ich am eigenen Leib erleben, wie sich die Angst vor einer  möglicherweise bestehenden Coronavirusinfektion (Covid19) wirklich anfühlt.

Die letzte Wochen waren für uns als Praxisteam von extremer Belastung und Überlastung, ständigen unsicherer Informationen und einem ständig pendelndem Risiko-Erleben geprägt. Heute morgen war es dann soweit!  Ich bin mit Kopfschmerzen, Halsschmerzen, etwas Fieber und leichtem Husten aufgewacht. 🤒 Das passiert mir öfter, wenn ich die Grenzen meiner Belastbarkeit nicht achte und anhaltend über meine Kräfte hinaus arbeite. Normalerweise ist das einfach: ich sage direkt 1 oder 2 Tage alle Termine ab, schlafe und fiebere 48 Stunden, dann bin ich wieder topfit.

Aber was ist heute schon normal? 

  • Ja, keiner der zahlreichen mehr oder weniger stark ausgeprägten Corona-Verdachtsfälle, die in meiner Praxis getesteten wurden, ist tatsächlich positiv gewesen. 
  • Ja, alle Fälle haben sich entweder als Influenza oder als banaler fieberhafter Infekt herausgestellt. 
  • Ja, ich hatte nirgendswo ungeschützten Kontakt mit potentiell Infizierten. 
  • Ja, wir haben schon Mitte Februar einen von der Rest-Praxis völlig getrennten Isolationsbereich für alle Infektpatienten eingerichtet
  • Masken, Handschuhe,

     Kittel

  • Ja, wir testen jetzt zur  Risikominimierung für alle Beteiligten und zur Einsparung von Schutzmaterial direkt die Patienten im Auto sitzend, um die Kontaktzeiten zu minimieren.  

Aaaaber:

  • Wer will das in diesen Tagen schon alles so genau wissen?
  • Hatte der Einkäufer an der Tankstelle nicht eben gehustet?
  • War nicht dieser Patient kürzlich noch vor der Einordnung von Südtirol als Risikogebiet mit lockeren Symptomen aus dem Skiurlaub in Italien zurück gekehrt? 
  • Habe ich nicht etwas von in Grünwald nachgewiesenen Fällen gehört?
  • Waren nicht unglaublich viele Menschen in Südtirol zum Skifahren?
  • Sind nicht sowieso schon überall irgendwelche symptomlosen Überträger unterwegs?

Was heißt das jetzt alles für mich?

  • Bin ich als Mann, 48, ohne relevante Vorerkrankungen, vielleicht doch vital gefährdet?
  • Hatte ich nicht eben erst irgendwo den Bericht von einem Intensivmediziner über einen 34-jährigen gesunden Mann ohne Vorerkrankungen mit einer rapide verlaufenden, beatmungspflichtigen Viruspneumonie gelesen?
  • Was ist mit meinen Kindern? Sind sie gefährdet? Muss jetzt die Volksschule und das Gymnasium geschlossen werden?
  • Muss meine Praxis geschlossen werden?
  • Ist meine Existenz bedroht?

Wie üblich an solchen Krankheitstagen steigt dann im Lauf des Tages das Fieber gegen Abend an, jetzt waren es knapp über 39°.  Ich bin eigentlich soweit fit, habe schon ca 10 Stunden geschlafen, habe Appetit und fühle mich eigentlich gut. Ich bin dankbar, dass ich auf meinen Körper hören kann und mir eine Auszeit nehmen kann, wenn es nicht anders geht. Ich bin dankbar, dass dieser Körper so fantastisch funktioniert. Ich spüre richtig, wie das Fieber meinen Körper reinigt. Ich habe heute schon etwa 5 Liter Wasser getrunken und sonst nur leichte Suppe und puren Yoghurt gegessen. 

Und jetzt kommt doch die Angst wieder: 

  • Jetzt huste aber ich doch mehr als am Morgen? 
  • Habe ich nicht da so einen Druck auf der Brust?
  • Ist das Fieber noch normal?
  • Sind die Halsschmerzen ein Hinweis auf Corona?
  • Wann kommt denn endlich der Abstrich?

Hurra! Pünktlich um 20.07 kommt der Befund: Sars-Cov-2-RNA (2019 nCov) negativ! Ich könnte jubilieren und fühle mich gleich viel besser. Es ist eine riesige Belastung, die von mir fällt!

Der heutige Tag war für mich eine weitere außerordentlich wichtige Erfahrung. Wie ich ja schon zum Beispiel in meinem Vortrag beim Freundeskreis der evangelischen Akademie Tutzing schildern durfte, habe ich Medizin und Arzt-sein vom Anfang meines Lebens und meiner Ausbildung an durchaus auch von der anderen Seite der medizinischen Leine aus zu spüren bekommen.

Ich bin dankbar für diesen heutigen Tag, der mich auch gelehrt hat, die großen Ängste meiner Patienten ausreichend wahr zunehmen.

Ich bin dankbar, dass ich es schaffe, mir die Freiheit zu nehmen, meinem lebendigen menschlichen Organismus  ausreichend zu würdigen und zu schonen. Und ich bin dankbar für das Verständnis und die Einsatzbereitschaft meiner Mit-Menschen!

Ich wünsche allen Kollegen und Patienten, allen Betroffenen aus allen Lebensgebieten, den Kindern den Lehrern, den Erziehern, den Polizisten, den Sanitätern, dem Putzpersonal, den Wissenschaftlern, den Flughafenmitarbeitern und allen anderen Männern, Kindern und Frauen und allen anderen Menschen, die von dieser weltweiten Herausforderung betroffen sind, viel Durchhaltevermögen, einen guten Kontakt zu sich selbst, ausreichende Antennen für die eigene Überforderung und eine glückliche und schonende Lösung dieser anstrengenden Weltsituation!

1 Gedanke zu „12 Stunden Corona-Panik hautnah!“

  1. Lieber Herr Kollege, Ihnen und Ihrem "exemplarischen" COVID-19-Patienten vielen Dank und großes Lob! Wir (Neurologen und Psychiater in Taufkirchen) hatten bisher noch keine eigenen Fälle, aber verfolgen natürlich das Geschehen mit dem gebührenden Respekt. Aber ich nehme auch wahr, dass immer noch zu viele Zeitgenossen sich diesbezüglich unverwundbar fühlen, weil sie unter 70 und soweit gesund sind. Man kann gar nicht genug Aufklärungsarbeit leisten, und je konkreter und anschaulicher, desto besser.
    Alles Gute für Sie und Ihr Team, und natürlich für Ihre Patienten! Herzliche kollegiale Grüße, Barbara Ottnad

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